Ein Tag in der schönsten Stadt der Welt!

Schon als Kind hab` ich es geliebt nach Venedig zu fahren. Venezia hat für mich und ich denke eigentlich für jeden, einen ganz speziellen Reiz: Sie ist alt, sie ist hübsch, alter Prunk und Palazzi aber dennoch voller Sexappeal, mit anderen Worten die heißeste Milf in Town – im wahrsten Sinne des Wortes. Venexia – La Serenissima

 

 

Neben den Reizen der Lady sind es natürlich auch die kleinen Läden, die Osterie, die Trottorie, di una volta (wie sie einmal waren..damals), enoteche also Weinhandel und die für Venedig typischen Bacari. Hier bekommt man “Cichetti” – kleine Häppchen bzw Brot mit kleinen feinen Sachen drauf, ähnlich den spanischen Tapas.

Auch das Tramezzino (Tra mezzo – für zwischendurch) hat in Venedig eine lange Tradition obwohl sie ursprünglich aus Turin stammen, wie man annimmt! Zwei hauchdünne Scheiben “Toast” ohne Rinde bzw Kruste, manchmal Mayonnaise, manchmal was anderes etc pp, man kennt die Dinger!

In besonders guter Art und Weise werden diese im Estro – Vino e Cucina zubereitet. Ich schwöre die Dinger sind zum Niederknien. Hier wirken die Brüder Dario und Roberto Spezzamonte. Die Jungs sind auf der Insel Murano aufgewachsen und haben sich gänzlich der Küche basierend auf “alles was aus der Nähe ist” verschrieben. Biologische und biodynamische Produkte von Land, Wasser und Luft sind die Basis ihres Angebotes.

 

 

Das Brot aus Ur Getreiden wird mit Naturseierteig hergestellt, auch das für die Tramezzini. Würste, Schinken, Käse, Senf, das Gemüse, ob eingelegt, eingemacht oder Frisch, zum größten Teil von der Insel Sant` Erasmo, hier in der Lagune. Alles was man sich hier in den Schnabel steckt ist nachzulesen verfolgen bis hin zum Ursprung. Großartiges Konzept und eigentlich der Ursprung jeglichen Genusses – so wie früher. Wer hat da schon Flugobst etc gekannt, geschweige denn, gewollt?!

 

 

Beim Wein schweift man hingegen schon mal ab in die Ferne. Zumindest in die europäische. Man konzentriert sich auf Naturals, wobei der Naturnahe Anbau der Mindestanspruch ist. Unprätentiös werden diese Weine hier isn Glas gegeben. Mit einem angemessenen Maß an Information und Speisenempfehlung!

Wir starten mit einem Wein aus der Emilia Romagna, einem Lambrusco vom Podere il Saliceto, ein kleines Natural Gut welches sich zu 100% auf die verschiedenen Klone des Lambrusco konzentriert. Weiß, Rose und natürlich Rot. Allesamt TROCKEN. Das hat also nichts mit der süßen Plörre zu tun, die man kennt aus Studienzeiten 😉 Ich hab zu der Variation von Tramezzini den Falistra gewählt. Ein Lambrusco Salamino, so nennt sich der Klon, aus der DOC Modena. Frisch, mineralisch knochentrocken, an rote Früchte wie Erdbeere, Johannisbeeren und Malve erinnernd, mit feinster Perlage und Trinkflusswie der Rhein bei Hochwasser!

Die Tramezzini waren zum einen mit Mazzancolle, einer speziellen Sorte Garnelen in Krebsmayo, mit Gurken belegt, dann mit einer Thunfischpatè und Radicchio Tadrivo, herrlich cremig und knackig bitter.. Tolle Kombi! Dann gab es eins mit Almkäse aus Asiago, dem am nahe gelegensten Hochplateau. Kuhrohmilch, Fett und sehr würzig, in Kombination mit knackigem Endiviensalat und Kräutermayonnaise. Es gab auch Klassiker wie Prosciutto Cotto, von einem Modeneser Metzger mit einem Hauch Trüffel. Rundum, waren die Tramezzini echt Yummy!

 

Es war Zeit für den Gruß aus der Küche! Eine Gazpacho aus vollreifem Gemüse von der Insel Sant` Erasmo – dem Gemüsegarten der Venezianer, mit einer ausgebackenen Praline von Pilzen und Ragu, mit einer Creme von…. wenn ich mich bloß erinnern könnte. Anschließend haben wir 3 “Antipasti” gewählt die als Empfehlung anstanden. Gebratener Süßwasseraal aus Comacchio, einer Gegend die bekannt für diesen Fisch ist. Der kam mit einer Interpretation einer Piedmontesischen Bagna Cauda, einer Emulsion aus Knoblauch, Anchovis, Olivenöl etc… Dazu gab es gegrillte Frühlingszwiebel. Ein Gedicht!

 

 

Kross, saftig, das Fett und die Bagna ergänzten sich hervorragend und die Süße der Zwiebel hat es zu einem perfekten Happen werden lassen. Ein sehr grobes Tatar nur mit einem Hauch Meersalz und Olivenöl aus den Eugenischen Hügeln bei Padua gewürzt war die zweite Komponente der Antipasti. Etwas Carne Cruda vom Fassona Rind auf Rucola, außen rum dezent angebraten für die richtige Menge an Röstäroma mit etwas Salsa Verde, auch in emulgierter Form – sehr sehr fein. Moscardini, das sind winzige Tintenfische, geschmort im eigenen Saft (sporchi) also nicht ausgenommen sondern mit Allem was noch drin ist und Geschmack abgibt – auch Tinte, auf cremiger Polenta. Ne absolute Geschmacksexplosion. Süß, Salzig, Bitter mit feiner Säure vom Ablöschen mit etwas Weißwein… Ei perfetto halt – wie der Hesse sagt!

Ein frittierter Chip aus Maismehl und Pfeffer, eine Art Taco, gefüllt mit Mousseähnlichem “Baccala mantecato”, cremig gerührtem Stockfisch. Das ist getrockneter Kabeljau mit Olivenöl! Ein weiterer Klassiker der venezianischen Küche, interpretiert als Fingerfood mit kleinen, neuen aber erfrischenden Akzenten – very lovely wie der Brite sagen würde – gekrönt von 2 Häppchen: Einmal Kalbskopft mit einer Emulsion aus Foie Gras, die so aromatisch, in der Textur einmalig war, das es einem ein Tränchen ins Auge drückte und Gelbschwanzmakrele, roh, mit angetrockneten, eingemachten Datterino Tomätchen und einer Haselnusscreme – wilde Kombi aber großartig interpretiert!

Unser Wein der Wahl, wie sind in die Ferne geschweift – kommt aus Flörsheim – Dalsheim, aus dem Demeter Weingut Bianca und Daniel Schmitt! Naturweine die einen ganz eigene Rubrik für mich gebildet haben. Maischevergoren aber stets mit einem so feinen Händchen für Phenolik dass die Sorte immer noch durch kommt und kein “Einheitsbrei” gefüllt wird. Müller Thurgau aus dem Jahr 2016. Für viele undenkbar aber hier zeigt mal jemand was die Rebsorte so kann. Würzig mit feiner Frucht die sehr gelb und Steinig wirkt, lang und frisch am Gaumen und einfach leichtfüßig und unkompliziert ohne “Einfach” zu wirken. Mega Stoff. Das Weingut ist ein ganz spezieller Tipp von mir auch und vor Allem an die, die sich noch nicht mit Naturwein auseinandergesetzt haben.

 

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Pasta – Basta! 2 Gänge Nudeln haben wir gewählt. Einmal DEN Klassiker der Paduanischen Nudelgerichte – Bigoi co`Ragu dea Corte padovana – Bigoli, dicke Spaghetti mit grober Struktur und einem Sugo, oder besser gesagt eine Art “Bolognese”in bianco aus Hühner und Kalbsbrät mit Geflügelleber, Weißwein, Thymian und Olivenöl und einen Hauch Parmigiano. Was soll ich sagen.. Stille und zufriedenes Lächeln, und sich zunicken ist das Ergebnis… Es gibt Dinge wie dieses, die lassen aus gestandenen Männern wieder kleine Bambini werden, die bei ihrer Nonna am Tisch sitzen.

Pasta e Fagioli – Progressiv. Rustikal, lauwarm auch im Sommer serviert – abartig gut! Bohnen creme aus Borlotti Böhnchen, Pastawasser und etwas Gemüsefond, gekochte und frittierte Tubetti Nudeln machen es auch von der Haptik, sprich der Textur mega aufregend, ein Hauch Sugo aus rohen Schältomaten geben dem Teller die nötige Frische und den Säuredrive – und dann: in dem Teller versteckt sich feines Aroma della Laguna.. Ein paar Miesmuscheln. Gnadenlos guter Gang! Molto Veneto muss ich zugeben – besser noch Mediterraneo 2.0!

Hierzu gab es noch einen Wein blind serviert von Dario. Wilde Würze stieg aus dem Glas. Kräuter mit dezenter aber feiner Frucht. Keine intensive Farbe aber enorme Leichtigkeit und Frische. Piemont konnte man ausschließen weil der Wein sehr leicht war… Frankreich Jura schoß mir durch den Geist.. nee… eine mir bis dato völlig unbekannte Rebsorte Namens.. Moment…. Fer Servadou – aus der Appellation Aveyron. Hab ich mir gemerkt! War nicht uninteressant!

 

Und nun wie Immer – the bittersweet Symphony! Ein Klassiker muss stets sein – Das Tiramifuckingsù! Heute mit tollen Eigelben wie man an der Farbe sieht, cremig, nicht zu soft und mit intensivem, gutem und bit bitteren Kaffeegeschmack. Hier sind die Jungs schon einen Schritt weiter wie viele andere in Italien. Keine langen Rüstungen, nicht zu heiß.. Komplexer Kaffe mit feiner Säure und sehr fruchtigem Charakter. Ich hake nach – Der Kaffe stammt aus Yirgacheffe in Äthiopien. Er sticht aromatisch heraus und gibt dem  Dessert einfach mal noch den 7. Gang ins Getriebe – mega!

Eine Schnitte aus Gianduia Nougat aus Turin, einem Bisquitboden mit einem Hauch Kakao, Creme Chantilly (ich liebe Oldschool) Blaubeeren aus dem Veneto, und Mirtillo Marmelade, also auch Blaubeere. Hierzu geb es einen Passito aus Garganega von Stefano Menti, der allerdings heute einen schwachen Moment hatte mit dem Wein – woran es auch immer lag. Für gewöhnlich sind seine Weine toll, Heute leider nicht in Balance. Anyways – das tat dem Genuss keinerlei Abbruch.

 

 

Eine echte Herzensempfehlung wenn ihr in Venedig seid. Estro bei den beiden Qualitätsbesessenen Brüdern Spezzamonte. Dafür kann man den Marktplatz auch mal platzen lassen – vertraut mir 😉

Lasst es euch schmecken und freut euch auf den nächsten Abschnitt meiner Reise durchs Veneto!

Der Zanzo aka WINEPUNK!

 

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  • to be continued….

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